Wilsdruff - ein Stadtrundgang

Dr. Rolf Görner (* 12. Oktober 1924; † 9. April 2009; ehemaliger Museumsleiter)

Wir beginnen den Rundgang durch die Stadt Wilsdruff am Marktplatz und wollen ihn auch dort wieder beenden. Er kann natürlich auch an jedem anderen der benannten Punkte anfangen, unterbrochen oder beendet werden. Eine "offizielle" Variante wird lediglich für den Schluss angeboten. Wenn man den Weg über die Stadtverwaltung bis zum Neubaugebiet "Am Bahndamm" wählt, verlängert sich die Zeit um etwa 25 Minuten, während sie sonst mit gut eineinhalb Stunden zu veranschlagen ist. Wir wünschen Ihnen viel Freude in unserem "Städgen".

Marktplatz um 1860, nach einer Lithographie von R. WillardWenn wir den Marktplatz von seinem etwas tiefer gelegenen südlichen Ende aus betrachten, etwa an der Einmündung der Marktgasse, wird uns deutlich, dass wir in seiner grundlegenden Form und Bebauung einen mittelalterlichen Marktplatz vor uns haben. Die meisten der Häuser wurden nach dem großen Stadtbrand von 1744 (wieder-)erbaut, einige wenige um die letzte Jahrhundertwende vergrößert, die aber, auch wenn sie Elemente des Jugendstils erkennen lassen, doch inzwischen an die 100 Jahre alt sind. Um dieses Bild des Marktes für die Zukunft zu erhalten, ist das gesamte Gebäudeensemble unter Denkmalschutz gestellt worden.

Die Straßenführung lässt noch heute einen wesentlichen Grund dafür erkennen, dass sich Wilsdruff besser als die im gleichen Zeitraum gegründeten Dörfer der Umgebung entwickeln konnte und zur Stadt geworden ist. Der Marktplatz wurde dort angelegt, wo sich zwei, schon im 12. Jahrhundert wichtige Verkehrsverbindungen kreuzten. Von Meißen, dem Bischofs- und Markgrafensitz, führte eine Straße über Wilsdruff - Tharandt oder Dippoldiswalde ins Böhmische nach Prag, während die Straße von Dresden, damals noch über Pennrich, Kaufbach und Wilsdruff die Verbindung zu dem Kloster Altzella bei Nossen und weiter in das Innere des Landes herstellte.

Die eigentliche Gründung Wilsdruffs erfolgte in der Nähe der Jakobikirche als ein Siedlungsdorf sicher vor dem Jahre 1100. Ihren Namen erhielt die Ansiedlung, wie es damals oft gehandhabt wurde, nach dem Namen des Anführers, der die Bauern aus Franken oder Thüringen hierher in das zu dieser Zeit zum Teil von Slawen bewohnte Land geführt hatte. Sein Name Wieland findet sich in verschiedener Form in alten Urkunden für die Bezeichnung des Dorfes, bzw. der Stadt, so in Wilandestorf (1259 in der ältesten bekannten), Wilandesdorf (1260), Willanatorf (1294), Wylandisdorff (1351) oder Wilenstorff (1406), bis sich schließlich im 17. Jahrhundert der Name Wilsdruff durchsetzte.
Nur etwa zwei bis drei Generationen nach der Gründung wurde der Marktplatz angelegt und etwas abseits davon eine zweite Kirche erbaut, die man dem Heiligen Nikolaus, dem Schutzpatron des Verkehrs, weihte. Auf ein Rathaus musste dieses Gemeinwesen selbst dann noch verzichten, als die Stadt bereits Bürgermeister hatte. Zumindest ist 1423 noch keines nachweisbar, wohl aber ein Bürgermeister.

Mitte des 16. Jahrhunderts befand es sich auf dem unteren Teil des Marktes und war weniger ein Verwaltungsgebäude als vielmehr ein Brau- und Handelshaus. In ihm brauten die altberechtigten Einwohner ihr Bier, das reihum ausgeschenkt wurde. Neuhinzuziehenden wurde dieses Braurecht nicht gewährt. Darauf achteten die brauberechtigten Hausbesitzer sehr genau, bis sie schließlich das 1836 vor das Freiberger Tor verlegte Brauhaus im Jahre 1879 verkauften.
Am Brauhaus standen auch die Fleischbänke, wurden Brot und Backwaren sowie andere zum Leben notwendige Dinge verkauft. Dort traf man sich zu Beratungen über die Anliegen der Gemeinde und zur Geselligkeit. Erst 1546 kam das Rathaus in das Eckgrundstück an der höchsten Stelle des Marktplatzes (266 m über NN). Es brannte jedoch im Laufe der Geschichte mehrfach ab. Das letzte Mal ging das Rathaus beim Stadtbrand am 5. Juni 1744 in Flammen auf.

In seiner heutigen Form konnte es erst 1755/56 nach Plänen des Kurfürstlich-sächsischen Accis-Baudirektors Samuel Locke wieder aufgebaut und 1758 eingeweiht werden. Der Wappenstein über dem Balkon zeigt unter der polnischen Stanislaus-Krone vier rote Felder, darin rechts oben und links unten den weißen litauischen Reiter mit blauer Schabracke, Sattelzeug und Schild: das Wappen Polens.

Rathaus.jpgAuf dem Herzschild sieht man links die sächsischen Kurschwerter, rechts auf schwarzem Grund über gelbem Querbalken die grüne Raute: das kurfürstlich-sächsische Wappen.
Das Stadtwappen ziert den Balkon des Rathauses, das Schönbergische Wappen die Seite nach der Dresdner Straße. Historische Bedeutung erhielt das Bauwerk, als am 24. November 1762 die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Preußen und Österreich dort geführt wurden, die zum Ende des Siebenjährigen Krieges führten. Als Sitz der städtischen Verwaltung diente seit 1916 die ehemalige Zentralschule auf der Zedtlerstraße, während die Sparkasse, die das Gebäude von 1843 bis 1963 und seit 1897 beherbergt, dort verblieb.

Die städtische Verwaltung bezog im Jahre 1951 ihr heutiges Domizil im ehemaligen Amtsgericht auf der Nossener Straße. Auf dem Marktplatz befindet sich die Markt-Postsäule. Sie stand zunächst an der Ecke Freiberger Straße / Scheunenweg, danach an der Nossener Straße (s. Abb.), bevor sie 1998 an ihren jetzigen Standort umgesetzt wurde.

Wir wenden uns nun in die Meißner Straße und stehen bald vor der Nicolaikirche. Die Reste des romanischen Portals der um 1220 erbauten Kirche sind in der neuen Kirche noch erhalten.

Die Kirche erhielt damals 10 Altäre und war Sitz eines Erzpriesters, dem 20 Dörfer unterstanden. 1447 fiel sie einem Stadtbrand zum Opfer. Die danach gebaute hatte das gleiche Schicksal, während die 1693 geweihte den Stadtbrand 1744 nur wenig beschädigt überstand. Sie wurde aber wegen baulicher Mängel 1896 abgerissen und durch den im neugotischen Stil errichteten Neubau ersetzt, der bereits am 20. September 1897 geweiht werden konnte. Das alte Pfarrhaus wurde 1901 abgebrochen und ein neues erbaut. Unter sorgsamer Beachtung denkmalspflegerischer Gesichtspunkte wurde es in den vergangenen Jahren renoviert.

Neben der Nicolaikirche steht die Kirche St. Pius X. Die römisch-katholische Kirchgemeinde nutzte früher die Schlosskapelle für ihre Gottesdienste. Das war nach der Enteignung des Schlosses 1945 und der nachfolgenden Nutzung als Industriebetrieb seit 1949 nicht mehr möglich. Der Bau einer eigenen Kirche erfolgte unter starker Mitwirkung der Mitglieder dieser Kirchgemeinde. Die Kirche St. Pius X.wurde im September 1956 geweiht. Von ihr werden 16 Dörfer der Umgebung betreut.

Bis zum Schloss sind es nur wenige Meter. Es hatte ursprünglich drei Teile. Der Nordflügel als ältester wurde 1543 unter Hans von Schönberg vollendet. Er begann ihn 1535 zu bauen, "dieweyl ihm eyne behaußung zue seiner nottürfft mangelte". Süd- und Ostflügel wurden in der 2. Hälfte des 17. Jhd. gebaut. Der Nordflügel wurde 1819/1820 abgebrochen, während der Südflügel zum herrschaftlichen Wohnsitz der Adelsfamilie von Schönberg wurde, vor dem durch Ankauf der benachbarten Häuser und Gärten ein schöner Park entstand, von dem ein Restbestand noch vorhanden ist. Ob um Schloss, wie die Sage berichtet, am 10. August und am 8. Oktober um Mitternacht die weiße Frau umgeht, ist nicht erwiesen.

Durch das Bodenreformgesetz von 1945 wurde das Schloss der Stadt übereignet, die im Ostflügel ein Jugendheim einrichtete und in den anderen Räumen zahlreiche Flüchtlingsfamilien unterbrachte. Später war es Betriebsstätte des VEB Spiegelwerk Wilsdruff. Nach dessen Neubau auf der Freiberger Straße und der erfolgten Privatisierung wurde das Schloss gründlich renoviert und zu einem Wohnhaus umgebaut.

In dem Bereich des früheren Nordflügels entsteht gegenwärtig das "Seniorenhaus am Schloss", ein Seniorenpflegeheim mit 32 Einzel- und 14 Doppelzimmern. Nach dem Richtfest vom 06. Oktober 2000 wurde das Heim zum 01. Juni 2001 fertiggestellt.

Wir folgen dem Weg entlang der Schlossmauer, der zu Ehren des im Konzentrationslager Dachau 1942 verstorbenen Pfarrers der evangelischen Kirchgemeinde 1998 in "Pfarrer-Paul-Richter-Weg" umbenannt wurde, und biegen nach links in die Dresdner Straße ein. Das 2. Haus trägt an der Giebelseite die Bezeichnung "Torhaus" und erinnert daran, dass hier früher das Dresdner Tor stand. Es wurde wie das Meißner und das Zellesche Tor (an der Nossener Straße) Anfang des 19. Jhd. abgerissen, da die Tore den wachsenden Verkehr zu sehr behinderten.

Wir überqueren auf der Dresdner Brücke die " Wilde Sau". Das Haus an der Ecke zur Berggasse war früher das Hospital. 1558 hat es bereits bestanden und bis 1829/30 als Armen- und Krankenhaus für die Ortsansässigen gedient.

Nach rechts erreichen wir "Am Ehrenfriedhof" den Aufgang zur Jakobikirche.

Sie wurde um 1150 erbaut und ist eine der ältesten romanischen Kirchen und zugleich die älteste ihrer Art in Sachsen. Sie besitzt eine einfache, klare Gliederung in das Kirchenschiff, den Chorraum und die Apsis. Ihre Bausubstanz ist über mehr als 800 Jahre im Wesentlichen erhalten geblieben. In die sehr starken Bruchsteinmauern sind kleine romanische Rundbogenfenster eingelassen, die auf der Südseite nach 1686 zur Erreichung eines größeren Lichteinfalls vergrößert wurden. Der Dachreiter wurde 1591 aufgesetzt, 1752 erneuert und 1976 durch einen orkanartigen Sturm schwer beschädigt. Ab 1980 konnten in schwierigen Rettungsarbeiten Dachreiter und Dach in Ordnung gebracht werden. Die Inneneinrichtung befindet sich z. Zt. noch nicht wieder in der Kirche, die bis 1980 noch als Begräbniskirche benutzt wurde.

Bemerkenswert sind auch die Glocken, von denen sich nur die größere, um 1250 gegossene "Benno-Glocke", wieder in dem Turm befindet. Ihre figürlichen Ritzzeichnungen boten Anlass zu unterschiedlichsten Deutungen. 2 kleinere Marienglocken, die eine 1447 gegossen, werden z. Zt. in der Nikolaikirche aufbewahrt. An der westlichen Giebelseite der Jacobikirche befindet sich ein Ehrenmal für die Opfer des 1. Weltkrieges, das am 5. August 1917 geweiht wurde.
Mit 146 einfachen Holzkreuzen mit ihren Namen, die in einem nach vorn offenen Rondell angeordnet waren, wurde der Gefallenen gedacht. Die Zusammenfassung der Einzelkreuze erfolgte durch ein Denkmal am Kirchengiebel und das Anbringen einer Außenkanzel im Jahre 1921. Die Holzkreuze sind leider nicht mehr vorhanden. Am südöstlichen Ende des Ehrenfriedhofs befinden sich 2 Grabstätten zur Ehrung der im Mai 1945 in den Kämpfen um Wilsdruff gefallenen sowjetischen und deutschen Soldaten.

Von dort aus blicken wir in das Erlicht, ein mit Sträuchern und Bäumen bestandenes Wiesenstück, und sehen gegenüber die Ratsmühle. Zu dieser gelangen wir den Weg "Am Ehrenfriedhof" abwärts und gehen durch das stadtgeschichtlich sehr interessante Grundstück hindurch. Das abgerissene Fabrikgebäude war die erste Möbelfabrik Wilsdruffs. Die Geschichte dieses Grundstücks lässt sich weit zurückverfolgen. 1411 kaufte die Adelsfamilie von Schönberg das Rittergut und die Stadt Wilsdruff. Sie wollte sich jedoch erst etwa 100 Jahre später hier sesshaft machen.

1527 übernahm Hans von Schönberg aus dem Schloss Reinsberg ein Gut in Wilsdruff, um es zu einem Herrensitz zu erweitern. Deshalb dämmte er auf einer Gemeindewiese das Wasser der "Wilden Sau" zu einem Teich für eine Mühle an. Dagegen setzten sich die Wilsdruffer Einwohner ebenso zur Wehr wie auch die auf dem Schloss Klipphausen sitzende Adelsfamilie. Um den lange dauernden auch vor dem herzoglichen Gericht ausgetragenen Streit zu beenden, verkaufte Hans von Schönberg 1537 die Mühle mit dem Teich an die Stadt. Diese musste 1765 die "Ratsmühle" wegen größerer Schulden verkaufen. Der Name aber hat sich bis heute erhalten. 1862 erwarb sie der Müller Friedrich Theodor Müller, der zunächst neben dem Mühlenbetrieb auch eine Band- und Kreissäge, später noch eine Drehbank zur Holzbearbeitung vom Wasser antreiben ließ. Da sich diese Lohnarbeit für die Wilsdruffer Tischler gut entwickelte, ließ er 1883 über dem Mühlgraben ein neues Fabrikgebäude errichten und eröffnete die "1. Wilsdruffer Möbelfabrik". Diese wurde wenige Jahre später mit einer Dampfmaschine ausgerüstet und bildete den Beginn einer beträchtlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Um die Jahrhundertwende gab es in Wilsdruff 18 Tischlermeister und 13 Möbelfabrikanten, die insgesamt 420 Gesellen beschäftigten und 44 Lehrlinge ausbildeten, so dass man mit Recht von der "Möbelstadt Wilsdruff" sprechen konnte.

Wir verlassen das ehemalige Fabrikgelände über die hölzerne Brücke und gehen am Ratsmühlenteich entlang bis zur Friedhofstraße. Bergauf an der Kreuzung mit der Löbtauer Straße steht rechts das ehemalige Elektrizitätswerk. Das erste E-Werk der Stadt hat der Stockfabrikant Gustav Fischer 1894 in Betrieb genommen. An ihn erinnert noch der Name "Fischerhütte" für das von ihm 1899 erbaute Haus, Freiberger Straße an der Saubachbrücke. Das 1896 erweiterte Elektrizitätswerk stand in der Nähe, oberhalb des Scheunenweges. Da zu dieser Zeit bereits 15 Elektromotoren in der Stadt zu versorgen waren, wurde es mit einer 80 PS-Dynamomaschine ausgestattet. 1899 übernahm es die Kommune für 150.000,00 Mark, baute aber im Jahr danach ein neues E-Werk für 250.000,00 Mark an der Löbtauer Straße / Ecke Friedhofstraße, das bis zum 12. Oktober 1920 die Stadt mit Strom versorgte. Bis 1923 wurde von Freital gelieferter Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. Da die Stromerzeugung nicht mehr rentabel war, schloss die Stadt das Elektrizitätswerk und trat danach dem Elektrizitätsverband Gröba bei, der seit 1927 auch das Gas nach Wilsdruff lieferte.

Am 24. September 1928 eröffnete die Genossenschaftsschlächterei Wilsdruffer Landwirte im ehemaligen Elektrizitätswerk ihren Betrieb. "Die Schlachthalle" unterhielt in der Stadt und in Dresden eine Verkaufsstelle. In wirtschaftlich schwieriger Zeit konnte sie sich jedoch nicht halten und musste im April 1932 den Betrieb schließen. Seither wurde das Gebäude hauptsächlich als Depot der Freiwilligen Feuerwehr genutzt, bis diese am 12. Juli 1997 ihr neues Gerätehaus an der Umgehungsstraße beziehen konnte. Auf der Löbtauer Straße verblieb der Städtische Bauhof.

Wenn wir Zeit zum verweilen haben, gehen wir noch in den Hauptfriedhof. Dieser wurde am 22. September 1881 geweiht. Die Kreuzkapelle wurde in der Amtszeit des Pfarrers Paul Richter 1937 erbaut. Mit dem etwa 5 Meter hohen Eichenholzkreuz über dem Eingang, das von ihm selbst geschaffen wurde, hat er seiner Gemeinde ein bleibendes Zeichen gesetzt. An ihn erinnert die Gedenktafel neben dem Eingang zur Kapelle.

Bahnhof um 1970Wir benutzen den Fußweg, der die Friedhofstraße nach links fortsetzt, und kommen über den Lerchenbachweg zum ehemaligen Bahnhof. Das Stationsgebäude und der frühere Lokomotivschuppen stehen noch, von den Gleisanlagen ist kaum noch etwas zu sehen. Dabei war Wilsdruff zu Beginn unseres Jahrhunderts zum Betriebsmittelpunkt etwa eines Fünftels der gesamten sächsischen Schmalspurstrecken geworden. Seit 1863 hatten sich Wilsdruffer Bürger um den Anschluss an das sich entwickelnde Eisenbahnnetz bemüht. Nach mancherlei abschlägigen Bescheiden wurde am 7. Dezember 1883 entschieden, die Linie Potschappel (das 1921 mit anderen Gemeinden zur Stadt Freital zusammengeschlossen wurde) - Wilsdruff zu bauen, allerdings schmalspurig.

1885 wurde der Bahnhof gebaut, und am 30. Sept.1886 konnte die Strecke eingeweiht werden. 1899 wurde die Strecke Wilsdruff - Nossen eröffnet, nachdem ein Jahr zuvor die Verbindung von Klingenberg - Colmnitz nach Frauenstein hergestellt worden war, die 1923 durch den Anschluss bis Dittmannsdorf vervollständigt wurde. 1909 schließlich wurde das Netz um die Verbindung von Wilsdruff nach Meißen-Triebischtal erweitert. 1966 begann die Stilllegung des gesamten Streckennetzes, die sich bis 1973 hinzog.

Damit ist die Wilsdruffer Kleinbahn nur noch eine Erinnerung, die durch einen Verein, die Interessengemeinschaft Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V., wachgehalten wird. Wir überqueren das Bahnhofsgelände hinter dem ehemaligen Lokomotivschuppen und gehen die Hohe Straße hinab bis zum Oberen Park. Wir wenden uns zunächst dem früheren "Schützenhaus" zu. Es verdankt sein Entstehen der 1843 gegründeten Scheibenschützengesellschaft, die an der Stätte ihres Wirkens einen Schankraum wünschte. 1859 konnte das "Schützenhaus" gehoben werden und wurde mit der links davon errichteten Schießhalle zum Mittelpunkt des Vereinslebens der inzwischen mit der Bogenschützengesellschaft vereinigten Wilsdruffer Schützengesellschaft. Ihre alljährlichen Schützenfeste wurden zu wahren Volksfesten für Wilsdruff und Umgebung. Wir gehen den Hauptweg durch den Park und überqueren an dessen Ende den Saubach. Nach wenigen Schritten befinden wir uns hinter dem neuen Sportstadion. Wir umgehen es und wenden und zurück in die Stadt.

Am Landbergweg sehen wir die neue Seniorenwohnanlage. Das Gebäude wurde zunächst als Landwirtschaftsschule gebaut und 1937 eingeweiht. Von 1945 bis 1991 wurde es als Krankenhaus genutzt. Nach einem gründlichen Umbau ist es jetzt eine Seniorenwohnanlage, in der auch der Seniorenmittagstisch und die Schwesternstation untergebracht sind.

Wir folgen dem Landbergweg bis zur Kreuzung mit der Freiberger Straße und werfen einen Blick auf das Stadthaus mit der Post und das rechts daneben stehende Gebäude. Die Stadt hatte das dort befindliche ehemalige Brauhaus gekauft, abgerissen und 1896 das repräsentative Stadthaus errichtet, das 1898 auch die Post aufnahm. Im Mai 1945 ist es durch Kriegseinwirkungen abgebrannt. Zwischen 1946 und 1949 wurde es unter Verzicht auf manche Schmuckelemente und durch Veränderung der Zimmerhöhen mit dem Zugewinn einer Etage wieder aufgebaut.

1898 wurde auch das Haus am Beginn der Friedhofstraße errichtet. Das gesamte Erdgeschoss war als Gaststätte vorgesehen, die den Namen "Restaurant und Cafe Fürst Bismarck" erhielt. Auch für eine aufstrebende Fabrikstadt war sie wohl etwas zu groß ausgefallen. Sie bestand nicht einmal 10 Jahre. Die Besitzer wechselten mehrfach. 1909 wurde dann ein Möbellager und -verkauf daraus.
Wir verlassen die Freiberger Straße dort, wo sich das Stadttor befunden hat, nach links in den Stadtgraben.
An seinem Beginn sehen wir vor uns die Mittelschule. Diese wurde am 10. Oktober 1910 eingeweiht. Sie galt damals als die schönste und modernste Schule der Umgebung. Diesem Ruf möchte sie auch künftig gerecht werden. Ihr heutiges Aussehen, das Elemente des Jugendstils schön zur Geltung bringt, verdankt sie einer vollständigen Renovierung, die 1992 begonnen wurde.

In der Mittelschule befindet sich Mittelschule.jpgseit 1919 auch das Heimatmuseum, dass nach fast dreißigjähriger Schließzeit im März 1999 wieder eröffnet werden konnte. Es zeigt mit einer Vielzahl von Ausstellungstücken "aus der Väter Zeit" sehr anschaulich die Lebensverhältnisse der Menschen unserer "Ackerbürgerstadt". Ihre Arbeitsgeräte, Ergebnisse ihrer Handwerkskunst, ihr Zusammenleben sowie ihr Brauchtum werden ebenso erlebbar wie die Entwicklung zur einstigen Möbelstadt.

 

Schlacht Kessd.jpgHervorzuheben sind u. a. eine umfangreiche mineralogisch-geologische Sammlung und ein Diorama mit der aus 1850 Zinnfiguren bestehende Darstellung der Schlacht bei Kesselsdorf vom 15. Dezember 1745. Das Museum ist an Sonn- und Feiertagen von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet und an anderen Tagen nach Vereinbarung.

Die Stadtmauer oder allgemeiner die Umfriedung des Ortes galt als ein Merkmal für die Unterscheidung zwischen Stadt und Dorf. Wilsdruff hatte im 13. Jhd. bereits eine solche Befestigung besessen, die vermutlich nur eine sehr bescheidene war. Nach Westen zu war ihr ein "Gezinge" vorgelagert. Das war ein schwer begehbares Gelände sumpfiger Wiesen, das möglicherweise durch einen Palisadenzaun eine zusätzliche Sicherung bot.

Wann die erste Stadtmauer erbaut worden ist, lässt sich nicht genau sagen. Als 1411 Caspar von Schönberg die Stadt kaufte, versprach er als neue Lehn-, Erb- und Gerichtsherr u. a., das die Wilsdruffer ihre Mauer um die Stadt fester und größer bauen dürfen. Es muss sie also zu dieser Zeit schon gegeben haben.

1450 wurden Tore und Mauern von den Hussiten zerstört und erst 1543 unter Hans von Schönberg wieder errichtet. 1552 schlossen sich die Tore erstmals wieder. Wir dürfen davon ausgehen, dass die heute noch vor allem im Bereich des Stadtgrabens vom früheren Freiberger über das Zellesche bis zum Meißner Tor und an der Töpfergasse erhaltenen Reste der Stadtmauer aus dieser Zeit stammen.
Der Magister Adam Friedrich Zürner, Königlich-polnischer und Churfürstlich-sächsischer Land- und Grenzcommissarius, der vom Kurfürsten August dem Starken den Auftrag erhalten hatte, alle Poststraßen des Kurfürstentums zu vermessen, hatte 1723 von Wilsdruff 4 Säulen mit "Distanz-Inschriften" verlangt, die vor den 4 Stadttoren gesetzt werden sollten. Nach zähen Verhandlungen einigte man sich 1730 darauf, eine als Marktsäule zu setzen. Diese enthielt Entfernungsangaben nach Orten in allen 4 Himmelsrichtungen.

1884 wurde die Wilsdruffer Säule abgebrochen und auf der Steinbrücke in Niederreinsberg aufgestellt. Auf Betreiben des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz wurde sie zurückgekauft und 1937 wieder aufgestellt. Sie stand zunächst an der Ecke Freiberger Straße / Scheunenweg, danach an der Nossener Straße (s. Abb.), bevor sie 1998 an ihren jetzigen Standort umgesetzt wurde.

Wer sich für die längere Variante entscheidet, wird an der Nossener Straße links abbiegen und erreicht in wenigen hundert Metern die Stadtverwaltung.

Er geht vorbei an der historischen Gaststätte "Zum Amtshof", in der sich von 1818 bis 1851 die Posthalterei befand.

Stadtverw.jpgDas Gebäude der heutigen Stadtverwaltung wurde 1869 erbaut. Als neues Gerichtsgebäude - Wilsdruff war seit 1852 Sitz eines Königlich-Sächsischen Gerichtsamtes - wurde es 1870 bezogen. Ein Jahr später wurde es durch das dahinterliegende Arresthaus ergänzt. Das Amtsgericht blieb in dem Haus bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Danach wurde es 1946 russische Kommandantur, die Mitte 1947 verlegt wurde. Seit 1951 befindet sich die Stadtverwaltung in dem Gebäude, das einer gründlichen Renovierung unterzogen wurde.

Schräg gegenüber der Stadtverwaltung befindet sich die neue Dreifeldsporthalle im Bau, der ein Neubau der Grundschule folgen wird. Wir zweigen rechts in die Gerichtsstraße ab und erreichen nach der ersten Kreuzung an der rechten Straßenseite eine Wohnanlage, die im Volksmund noch heute den Namen "Ministerviertel" trägt. Sie wurde von der 1919 gegründeten Gemeinnützigen Baugesellschaft erbaut: Ihren Namen erhielt sie als wohlwollende Übertreibung, weil sich für die bis 1924 fertig gestellte Anlage zwei Wilsdruffer besonders eingesetzt hatten. Sie waren als Leiter des Arbeiterrates seit 1918 in die Stadtvertretung eingezogen und besaßen infolge ihrer Verbindung zur Regierung in Dresden einigen Einfluss. Der Volksmund nannte sie deshalb "Minister".

Wir halten uns links und wandern auf dem Bahndamm in Richtung Autobahn. Die Autobahnbrücke führt über das Saubachtal. Mit dem Bau der heutigen A 4 wurde 1934 begonnen. Die 320 m lange Brücke über den Saubach wurde am 27. September 1936 dem Verkehr übergeben. Sie wurde kurz vor Kriegsende am 26. April 1945 gesprengt. Einige Jahre wurde der Verkehr auf einer provisorischen Straße durch das Tal geführt, bevor mit einem Neubau begonnen werden konnte.

Die neue Brücke wurde am 8. Dezember 1954 zunächst einspurig freigegeben. Seit den Siebzigerjahren war sie wieder in beiden Richtungen befahrbar. Diese damals größte Bogenscheibenbrücke des Landes wurde im Zuge des sechsspurigen Ausbaus der Autobahn im Juni 1995 erneut gesprengt und beräumt. Der Neubau der beiden Teilbrücken ging zügig voran, so dass mit der Brücke die Autobahn in beiden Richtungen dreispurig fertig gestellt wurden ist.

Auf der Birkenhainer Höhe ist der Funkturm nicht zu übersehen. Der 153 m hohe Antennenmast des Senders Dresden in Wilsdruff ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Dieser wurde am 1. Sept. 1953 in Betrieb genommen und strahlte bis Ende 1989 die Programme DDR I und Berliner Rundfunk ab, nach der Wende die Programme des Mitteldeutschen Rundfunks. Der Sender ist einer der ältesten Mittelwellensender Europas und sowohl von der Bausubstanz seiner Anlagen als auch durch seine technische Ausstattung ein voll funktionsfähiges technisches Denkmal. Heute erfolgt die Ausstrahlung durch eine moderne und räumlich wesentlich kleinere Sendeanlage im selben Gelände.

Am Neubaugebiet "Am Bahndamm" verlassen wir diesen und besichtigen das neueste Wilsdruff, das sich an der Peripherie der alten historischen Stadt ausbreitet. Es zeigt uns, dass sich Wilsdruff sowohl um die Bewahrung des Überlieferten bemüht als auch, dass es sich optimistisch der Zukunft öffnet.

Über die Meißner Straße kehren wir zurück bis zum Ausgang des Stadtgrabens. Links, am Eingang des ehemaligen Rittergutes, finden wir einen Gedenkstein. Hier treffen wir uns mit der kürzeren Variante, die nach Überquerung der Nossener Straße durch den Stadtgraben direkt zum Andrästein führt. Der Andrästein wurde am 17. September 1930 zu Ehren des Förderers der heimischen Landwirtschaft vom Landwirtschaftsverein Wilsdruff und anderen landwirtschaftlichen Körperschaften errichtet.

Georg Andrä, der 1877 das Rittergut Limbach gepachtet hatte, übernahm 1887 das Rittergut Wilsdruff und kaufte 1890 das von Braunsdorf dazu. Die beiden letzteren bewirtschaftete er bis zu seinem Tode am 30. April 1923. Er war darüber hinaus Vorsitzender des Landeskulturrates, der Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft und der Sächsischen Landwirtschaftsbank sowie Mitglied anderer Gremien und reichte in seiner Bedeutung weit über Wilsdruff hinaus. Vom Rittergut ist im ehemaligen Gutshof nur noch das Wohnhaus erhalten. Wilsdruff erhielt erst im 16. Jhd. einen Rittersitz. Das Rittergut wurde 1533/34 durch Hans von Schönberg begründet und nach und nach zusammengekauft. Die Wohngebäude des Gutshofes ließ wahrscheinlich Caspar von Schönberg in den Jahren 1572 bis 1575 errichten. Aus dieser Zeit stammt das letzte noch erhaltene Gebäude, das damit zu den ältesten Häusern der Stadt gehört. Da es bei den verschiedenen Stadtbränden nicht abbrannte, entstand im Volksmund die Meinung, dass es im Rittergut und im Schloss niemals brennen werde.

Wir verlassen das Gelände des Rittergutes in Richtung Saubach und gehen die im Rahmen der Stadtkernsanierung bereits fertig gestellte Töpfergasse bis zur Dresdner Straße.
Am Marktplatz beenden wir unseren Stadtrundgang mit dem Blick auf den unteren Markt und die Freiberger Straße.

Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.

Weitere Informationen erhalten Sie in der Broschüre „Ein Stadtrundgang durch Wilsdruff - Historie und Gegenwart, Erreichtes und Geplantes der Stadtkernsanierung“ oder bei einem Stadtrundgang durch Wilsdruff.